Der Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller hat nach der Palästina-Demo in Bern scharf reagiert. Die «linksextreme Gewalt» müsse Konsequenzen haben, sagte er – und forderte ein Verbot der Antifa sowie härtere Gesetze gegen Teilnehmer unbewilligter Demonstrationen.
Doch da stellt sich eine einfache, aber entscheidende Frage: Was genau will Müller eigentlich verbieten?
Die Antifa ist kein Verein, keine Partei, kein Verband mit Statuten oder Mitgliederlisten. Es gibt kein Sekretariat, keinen Präsidenten, keine Adresse. Antifa ist – schlicht – eine Haltung. Wer sich antifaschistisch nennt, bekennt sich dazu, gegen Faschismus, Rassismus und Unterdrückung einzutreten. Eigentlich etwas, das in einer demokratischen Gesellschaft selbstverständlich sein sollte. Will Philippe Müller also verbieten, antifaschistisch zu sein?
Der Griff zum Antifa-Verbot ist nicht neu – und schon gar nicht originell. US-Präsident Donald Trump und Ungarns Premier Viktor Orbán haben die Bewegung kurzerhand als «Terrororganisation» eingestuft. Damit drohen sie allen, die sich antifaschistisch engagieren. Soll sich der Berner FDP-Regierungsrat wirklich in diese illustre Reihe autoritärer Machtpolitiker einreihen?
Dass Müller Gewalt verurteilt, ist richtig – ja, notwendig. Aber was er dagegen tun will, bleibt vage. Seine Forderungen klingen nach Populismus, nach Stammtischpolitik. Nach schnellen Worten für eine empörte Öffentlichkeit. Dabei wurde dieser Versuch bereits unternommen: 2020 forderte SVP-Nationalrat Andreas Glarner dasselbe. Der Bundesrat lehnte ab – mit der Begründung, Antifa sei keine Organisation, sondern ein loses, internationales Netzwerk aus Einzelpersonen und Gruppen. Man kann also kein «Netzwerk ohne Struktur» verbieten. Vielleicht hätte Müller diese Antwort lesen sollen, bevor er nach dem grossen Bannruf griff.
Die Bilanz der Berner Demo ist erschreckend: 18 verletzte Polizisten, Sachschäden von rund einer Million Franken, über 500 kontrollierte Personen. Dass da der Ruf nach härteren Massnahmen laut wird, ist nachvollziehbar. Gewalt gehört bestraft – konsequent.
Aber es braucht kein Antifa-Verbot, um das zu tun. Es braucht nur den Mut, bestehendes Recht durchzusetzen. Vermummung ist bereits verboten. Warum also greift man nicht durch? Warum werden die Vermummten nicht konsequent aus Demos entfernt?
Vielleicht, weil es einfacher ist, auf die anonyme «Antifa» zu zeigen, als selbst Verantwortung zu übernehmen.
An der Medienkonferenz sagte der stellvertretende Regionenchef der Kantonspolizei, Michael Bettschen, klar: «Auf der Höhe der Spitalgasse bildete sich ein vermummter, sogenannter schwarzer Block, der mit Masken und Schutzbrillen ausgerüstet war und die Demo anführte.»
Der «Schwarze Block» – das sind die, die tatsächlich auf Krawall aus sind. Keine einheitliche Gruppe, kein politisches Programm, nur Lust auf Zerstörung. Den meisten dürfte das Schicksal der Menschen in Gaza herzlich egal sein. Sie wollen Randale, nicht Diskussion.
Der Historiker Richard Rohrmoser von der Universität Mannheim beschreibt in seinem Buch «Antifa. Porträt einer linksradikalen Bewegung» die Bewegung anders: «Antifa ist ein Engagement gegen antidemokratische, rassistische, rechtsextreme, antisemitische, sexistische oder geschichtsrevisionistische Tendenzen. Positiv formuliert: Es ist ein Eintreten für Freiheit, Gleichheit, Gleichwertigkeit und Gerechtigkeit.»
Und genau das – dieses Eintreten für Freiheit und Gleichheit – will Philippe Müller nun verbieten?
Vielleicht sollte man nicht die Antifa bekämpfen, sondern jene, die den Faschismus wieder salonfähig machen.