Musik ist mehr als Unterhaltung. Sie ist Medizin, Erinnerung, Lebensbegleiter. Ein Lied aus der Jugend kann Gefühle wachrufen, die längst vergessen schienen – und plötzlich ist man wieder 20, tanzt, lacht, liebt. Genau darin liegt die Kraft der Musik: Sie erreicht das, was Medikamente, Ratschläge oder Therapiegespräche oft nicht schaffen – sie berührt die Seele.
Wissenschaftlich ist längst belegt, dass Musik positive Wirkungen auf Körper und Geist hat. Musikhören senkt den Blutdruck, verringert Stresshormone und kann sogar Schmerzen lindern. Beim Singen oder Musizieren werden Glückshormone wie Dopamin ausgeschüttet, das Immunsystem wird gestärkt und das Gedächtnis angeregt. Besonders für ältere Menschen kann das regelmässige Hören oder Machen von Musik erstaunliche Effekte haben.
Musik aktiviert Erinnerungen
Viele Seniorinnen und Senioren erleben es im Alltag: Ein bekanntes Lied aus früheren Jahren kann in Sekunden ganze Lebensabschnitte zurückbringen. Das Gehirn reagiert auf Musik anders als auf Sprache – tief, emotional, direkt. In der Pflege wird das gezielt genutzt, etwa bei Menschen mit Demenz. Schon kurze Musiksequenzen können verlorene Erinnerungen kurzzeitig aktivieren und positive Gefühle auslösen.
Singen hält jung
Singen ist Bewegung für Körper und Geist. Wer singt, atmet tiefer, trainiert die Lunge und entspannt automatisch. Studien der Universität Zürich zeigen, dass gemeinsames Singen die Stimmung hebt und das soziale Miteinander stärkt. In Chören entstehen Freundschaften, Struktur und Freude – wichtige Faktoren, um Einsamkeit im Alter vorzubeugen.
Kultur als Lebenselixier
Auch kulturelle Aktivitäten wie Theater, Ausstellungen oder Konzerte haben erwiesene Wirkung. Menschen, die regelmässig kulturelle Veranstaltungen besuchen, sind nachweislich glücklicher, sozial aktiver und leben oft gesünder. Schon ein Nachmittag im Museum kann inspirieren, neue Gedanken anregen und Gesprächsstoff bieten. Kultur öffnet den Blick über den Alltag hinaus.
Musiktherapie – gezielte Hilfe durch Klang
In vielen Alters- und Pflegeheimen gehört Musiktherapie inzwischen zum festen Angebot. Dabei wird Musik gezielt eingesetzt, um Ängste zu mindern, Bewegungen zu fördern oder die Kommunikation zu erleichtern. Musik wirkt dort, wo Worte fehlen. Selbst Menschen, die kaum noch sprechen, reagieren auf Melodien, Rhythmen oder vertraute Stimmen.
Auch Zuhören ist Teilnahme
Nicht jeder muss selbst musizieren. Auch das bewusste Zuhören hat grosse Wirkung. Eine Tasse Tee, ein bequemer Stuhl und eine Lieblingsmelodie – manchmal reicht das, um innere Ruhe zu finden. Musik kann wie ein Anker sein, besonders in schwierigen Zeiten. Sie erinnert uns daran, dass wir fühlen, leben, dazugehören.
Musik und Kultur sind kein Luxus, sondern Nahrung für die Seele. Sie schenken Struktur, Emotion, Gemeinschaft und Sinn – gerade im Alter. Wer singt, tanzt oder zuhört, stärkt nicht nur den Körper, sondern auch das Herz. Vielleicht ist es an der Zeit, wieder einmal die alte Schallplatte aufzulegen, den Lieblingschor zu besuchen oder einfach laut unter der Dusche zu singen.
Denn wie sagte der Komponist Leonard Bernstein einst: „Musik kann das Unaussprechliche ausdrücken – und das Unaussprechliche heilen.“
Schon immer haben Menschen Werkzeuge und Instrumente benutzt, um live Musik zu machen. Erst mit der technologischen Entwicklung im 20. Jahrhundert wurde die Verbreitung von aufgenommener Musik mittels Tonträgern für alle Menschen zugänglich. Aber selbst heute, wo es Musik-Streaming-Dienste und hochwertige Lautsprecher oder Kopfhörer gibt, ist das soziale Erlebnis von Live-Konzerten unersetzbar. «Das lässt sich vielleicht auf die evolutionären Wurzeln der Musik zurückzuführen», sagt Prof. Dr. Sascha Frühholz von der Universität Zürich. «Der Mensch sehnt sich nach der emotionalen Erfahrung von Live-Musik. Wir wollen, dass Musiker uns mit ihrer Darbietung auf eine emotionale Reise mitnehmen.»
Oder wie es im Film Casablanca aus dem Jahr 1942 heisst: «Spiel es noch einmal, Sam – um der alten Zeiten willen...».