Altersdiskriminierung ist keine Lösung – warum das Stimmrecht nicht vom Geburtsjahr abhängen darf – Visento
Altersdiskriminierung ist keine Lösung – warum das Stimmrecht nicht vom Geburtsjahr abhängen darf
Politik/Gesellschaft

Altersdiskriminierung ist keine Lösung – warum das Stimmrecht nicht vom Geburtsjahr abhängen darf

17.10.2025
von Bea Heim · 48 x gelesen

Das Buhlen um öffentliche Aufmerksamkeit treibt immer wieder seltsame Blüten. Politikerinnen und Politiker formulieren ihre Botschaften oft zugespitzt, um Gehör zu finden. Medien wiederum setzen auf provokante Schlagzeilen, um Klicks zu generieren. Und selbst in der Wissenschaft scheint der Wunsch nach öffentlicher Wahrnehmung manchmal wichtiger zu sein als eine ausgewogene Analyse.

So erstaunte jüngst ein Interview, das eine Assistenzprofessorin der Universität Lausanne den Tamedia-Medien gab. Darin schlug sie nach der Abstimmung über die Abschaffung des Eigenmietwerts vor, das Stimmrecht ab einem gewissen Alter einzuschränken – angeblich, um die «Dominanz der Seniorinnen und Senioren» zu brechen. Ein Vorstoss, der zu Recht viele Menschen fassungslos machte.

Doch stimmt die Behauptung überhaupt, dass ältere Stimmbürgerinnen und Stimmbürger das Resultat geprägt hätten? Eine entsprechende Analyse fehlt im Interview. Fakt ist: Bei der Abstimmung über den Eigenmietwert unterstützten alle vier bürgerlichen Jungparteien die Ja-Parole ihrer Mutterparteien. Ganz anders die VASOS, die Vereinigung der aktiven Seniorinnen und Senioren mit über 130’000 Mitgliedern. Sie sagte klar Nein – aus Sorge um die negativen Folgen für Mieterinnen, Mieter und junge Familien.

Auch bei der Abstimmung über die 13. AHV-Rente zeigte sich ein anderes Bild: Drei Jungparteien sagten Ja, ebenso die VASOS. Ziel war es, den heutigen wie künftigen Rentnerinnen und Rentnern mit kleinen Einkommen etwas mehr Sicherheit zu verschaffen – angesichts steigender Mieten, Krankenkassenprämien und Lebenshaltungskosten.

Was die Lausanner Professorin als Mittel gegen eine angeblich «zunehmende Gerontokratie» bezeichnet, ist in Wahrheit eine gefährliche Idee. Sie erinnert an autoritäre Tendenzen in anderen Ländern, wo man versucht, unliebsame Wählergruppen einfach auszuschliessen, wenn Abstimmungen nicht das gewünschte Ergebnis bringen. In einer Demokratie ist das Stimmrecht jedoch ein unveräusserliches Grundrecht – es darf nicht zur Verhandlungsmasse werden.

Einer Bevölkerungsgruppe das Mitspracherecht abzusprechen, wäre nichts anderes als eine neue Form von Diskriminierung. Statt Gräben zwischen Jung und Alt zu vertiefen, braucht es den Dialog. Denn nur wenn alle Generationen einbezogen werden, bleibt unsere Gesellschaft solidarisch und demokratisch.


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