Auswandern im Rentenalter – wenn Seniorinnen und Senioren der Schweiz den Rücken kehren

Immer mehr Menschen aus der Schweiz packen im Ruhestand ihre Koffer und wagen den Schritt ins Ausland. Die Motive sind vielfältig: tiefere Lebenshaltungskosten, besseres Klima – oder schlicht der Wunsch, den Lebensabend in einem vertrauten Land zu verbringen. Doch die Entscheidung bringt Chancen und Herausforderungen mit sich.
Der Trend wächst
Laut Bundesamt für Statistik hat sich die Zahl der Schweizerinnen und Schweizer, die im Ausland eine AHV-Rente beziehen, in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Ende 2024 lebten bereits 134’000 Rentnerinnen und Rentner ausserhalb der Schweiz. Hinzu kommen Hunderttausende ausländische Staatsangehörige, die nach einem Arbeitsleben in der Schweiz zurückgekehrt sind und dort ihre Rente beziehen.
Finanzielle Gründe im Vordergrund
Die Kostenfrage ist für viele entscheidend. «Viele Menschen müssen im Ruhestand mit deutlich weniger Einkommen auskommen», erklärt Nicole Töpperwien, Direktorin der Auslandschweizer-Genossenschaft Soliswiss. Ein Leben im Ausland könne es ermöglichen, den gewohnten Lebensstandard zu halten – oder überhaupt über die Runden zu kommen.
Auch die Forschung bestätigt das: Livia Tomas, Wissenschaftlerin an der Universität Neuenburg, hat zahlreiche Auswanderer an die spanische Südküste begleitet. Ihre Studien zeigen drei Hauptgründe für den Schritt ins Ausland: wirtschaftliche Überlegungen, ein angenehmeres Klima und das Gefühl von Zugehörigkeit zum Zielland.
Politische Debatte
Besonders während der Abstimmung zur 13. AHV-Rente Anfang 2024 rückte die Thematik in den Fokus. Kritiker warfen Auslandschweizerinnen und -schweizern vor, sich im Ausland einen «goldenen Ruhestand» zu gönnen. Fachleute wie Töpperwien halten dagegen: Die meisten Rentner im Ausland belasten das Schweizer System weniger, da sie weder Ergänzungsleistungen beanspruchen noch das hiesige Gesundheitssystem nutzen.
Gleichzeitig entstehen in Ländern wie Polen oder Thailand spezialisierte Einrichtungen für deutschsprachige Seniorinnen und Senioren – oft auch für Menschen mit Demenz. Für viele eine bezahlbare Alternative, die in der Schweiz kaum möglich wäre.
Integration und Stolpersteine
Doch nicht alles ist einfach: Gerade im höheren Alter kann es schwerfallen, in einer neuen Umgebung Fuss zu fassen. Sprachbarrieren, ein kleinerer Freundeskreis oder bürokratische Hürden wie Krankenversicherung, Steuern oder Bankkonten belasten viele Neuankömmlinge. «Die Integration ist oft schwieriger als erwartet», sagt Forscherin Tomas.
Zwischen Abenteuer und Risiko
Wer den Schritt wagt, tut dies nicht selten voller Freude auf Neues. Doch es gibt Unterschiede: Schweizer Staatsbürgerinnen und -bürger haben im Notfall immer die Option, zurückzukehren. Für ehemalige Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter ohne Schweizer Pass gilt das nicht. Manche entscheiden sich daher für einen doppelten Wohnsitz – eine Lösung, die allerdings ein gewisses Einkommen voraussetzt.
Der Traum vom zweiten Leben
Trotz aller Risiken ist für viele Auswandern ein Herzenswunsch. «Viele Seniorinnen und Senioren sind noch sehr aktiv. Wenn der Traum seit Jahren besteht und eine gute Planung vorhanden ist – warum nicht?», meint Töpperwien. Für sie ist klar: Wer vorbereitet ist, kann den Ruhestand im Ausland als neues Kapitel voller Abenteuer erleben.