Armut in der Schweiz – Visento
Armut in der Schweiz
Politik/Gesellschaft

Armut in der Schweiz

26.11.2025
von Bundesamt für Sozialversicherungen · 27 x gelesen

Schweiz verfehlt Armutsziele trotz Wohlstand und sozialer Sicherheit

Zwischen 2014 und 2017 ist die Einkommensarmut in der Schweiz angestiegen. Seither bewegt sie sich auf einem stabilen, aber besorgniserregenden Niveau zwischen 8% und 9%. Trotz des wohlhabenden Status und des gut ausgebauten Netzes der sozialen Sicherheit leben hierzulande weiterhin Menschen in Armut – ein Widerspruch, der nun erstmals systematisch untersucht wird.

Corona-Pandemie hielt Armutsquote stabil

Während des wirtschaftlichen Einbruchs durch die Corona-Pandemie verhinderten umfassende Unterstützungsmassnahmen einen Anstieg der Armutsquote. Doch die längerfristige Zielsetzung bleibt verfehlt: Die Schweiz hatte sich in der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 und in den letzten drei Legislaturplanungen des Bundesrates verpflichtet, die Armut zu reduzieren.

Erstes umfassendes Armutsmonitoring vorgestellt

Der Bundesrat hat am 26. November 2025 den ersten Bericht des nationalen Armutsmonitorings gutgeheissen. Das Monitoring wurde in Erfüllung der Motion 19.3953 der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates in Auftrag gegeben und stellt damit erstmals ein breit abgestütztes und thematisch umfassendes Referenzwerk zur Armut in der Schweiz dar.

Besonders bemerkenswert: Der Bericht gibt auch Menschen mit Armutserfahrung eine Stimme. In mehreren Porträts kommen sie zu Wort, bevor die statistischen Kennzahlen präsentiert werden.

Bestimmte Bevölkerungsgruppen stärker betroffen

Verhältnismässig oft von Einkommensarmut betroffen sind:

  • Nichterwerbstätige
  • Alleinerziehende
  • Kinderreiche Paarhaushalte
  • Alleinlebende
  • Menschen mit geringer Bildung
  • Ausländerinnen und Ausländer

Allerdings zeigt die Analyse: Individuelle Merkmale erklären Armut nicht vollständig. Strukturelle Rahmenbedingungen – wie die Ausgestaltung des Bildungssystems, der familienergänzenden Kinderbetreuung oder der Arbeitsmarktbedingungen – prägen die Handlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten entscheidend mit.

Mehrdimensionale Perspektive auf Armut

Das Monitoring untersucht Armut nicht allein als finanzielle Frage. Belastungen in anderen Lebensbereichen können finanzielle Notlagen verfestigen. Deshalb werden neben den finanziellen Verhältnissen sechs weitere Bereiche analysiert:

  • Gesundheit
  • Bildung
  • Erwerbsarbeit
  • Wohnen
  • Soziale Beziehungen
  • Politische Teilhabe

Ein alarmierendes Ergebnis: Rund die Hälfte der einkommensarmen Personen leidet an chronischen Erkrankungen. Personen ohne nachobligatorische Ausbildung sind überdurchschnittlich oft von Armut betroffen.

Grundlage für nationale Armutsstrategie

Das Armutsmonitoring soll politischen Akteuren aller Staatsebenen Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung stellen. Der Bericht vermittelt einen Überblick über Instrumente und Akteure der Armutspolitik und analysiert die Wirksamkeit verschiedener Massnahmen. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Rolle von Erwerbsarbeit und Bildung bei der Prävention und Bekämpfung von Armut.

Die gewonnenen Erkenntnisse bilden wichtige Grundlagen für die Entwicklung einer nationalen Armutsstrategie. Diese wird in Erfüllung der Motion 23.4450 von Nationalrätin Estelle Revaz erarbeitet und bis 2027 dem Bundesrat unterbreitet.

Breite Kooperation bei der Erstellung

Der Bericht wurde vom Bundesamt für Sozialversicherungen in enger Kooperation mit dem Bundesamt für Statistik, den Kantonen, Gemeinden, der Forschung und Organisationen der Zivilgesellschaft erstellt. Der zweite Bericht ist für Ende 2030 geplant.

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